Manchmal braucht es mehr als man selbst stemmen kann.
Heute ist wieder so ein kalter Tag. Mit Mütze und Schal, tief ins Gesicht gezogen, stapft Gerti mit ihrem dicken Wintermantel durch die Spargelfeldgasse. Und dunkel wird es auch schon bald. Der Wind pfeift durch die Gasse. Gerti ist froh über ihre dicken, warmen Thermoleggins, die sie sicherheitshalber angezogen hat.
In der Früh hat es noch gar nicht so kalt und windig ausgeschaut, aber jetzt mit dem Wind denkt sich Gerti: „Es hat nun einen ordentlichen Zapfen und ist sehr kalt!“.
In viele Decken eingewickelt und zusammengekauert, sitzt ein Mann mit viel Gepäck bei der Straßenbahnstation vom 26er. Eine Straßenbahn fährt gerade ein, Leute steigen aus und gehen rasch weiter, ohne die Person anzuschauen. Gerti wundert sich, wer denn hier in der Kälte herumsitzt, und geht vorsichtig näher.
„Hallo? Hallo?“, fragt Gerti mit ruhiger Stimme. Keine Antwort. „Hallo, geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe?“, probiert Gerti es nochmals mit kräftigerer Stimme. Wieder keine Antwort. Gerti schaut genauer und kann einen jungen, gepflegten Mann erkennen. Sie ist sich nicht sicher, ob er schläft oder bewusstlos ist. „Haaaaaaallooo! Hören Sie mich? Hallllooo, ich bin die Gerti und ich mache mir Sorgen um Sie!“, ruft sie. Erschrocken bewegt sich der Mann und öffnet kurz die Augen. „Immerhin sind Sie nicht bewusstlos!“, freut sich Gerti und der Mann dreht sich ängstlich weg. „Was soll ich denn jetzt nur tun?? Sie können doch nicht in der Kälte hierbleiben!“, ruft Gerti und weiß nicht mehr weiter.
Da erinnert sich Gerti an das Kältetelefon. Sie hatte kürzlich von einer Freundin eine Information mit Nummer bekommen:
„Wenn Sie den Schlafplatz eines obdachlosen Menschen bemerken und rasch und unkompliziert helfen möchten, rufen Sie uns bitte unter dem Kältetelefon: 01 480 45 53 an“, stand auf dem Zettel, erinnert sich Gerti genau. Und sie hatte sich die Nummer gleich ins Handy eingespeichert.
„Beim Kältetelefon ruf ich jetzt an! Manchmal braucht man einfach Unterstützung von den Profis“, denkt sich Gerti, holt das Handy mit den kalten Fingern aus der Manteltasche und ruft an. Gerti gibt den genauen Ort und eine Beschreibung des Mannes am Telefon durch. Freiwillig hinterlässt sie ihre Telefonnummer, falls es noch Fragen von den helfenden Sozialarbeiter*innen gibt.
Gerti ist froh, dass Unterstützung kommt, denn so allein weiß sie nicht, was sie tun soll. Sie weiß, dass der Kältebus täglich unterwegs ist, um Meldungen nachzugehen. Es kann schon ein bisschen dauern, aber immerhin dürfte der junge Mann nicht akut lebensbedrohlich gefährdet sein.
Nummer des Kältetelefons
01 480 45 53
Das Telefon ist von November bis Ende April rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche besetzt. In akut lebensbedrohlichen Situationen oder bei Gesundheitsgefährdung ist unbedingt die Rettung unter 144 zu verständigen.
Welche Informationen benötigt das Kältetelefon?
- Datum, Zeitpunkt
- Genaue Ortsangabe
- Beschreibung der Person(en)
Im Rahmen des Streetworks gehen Sozialarbeiter*innen der Gruft den telefonischen Hinweisen nach und suchen die genannten Personen und Orte auf. Dort bieten sie individuelle Hilfe an und verteilen Schlafsäcke, beraten die Menschen und bringen sie in eines der Notquartiere.
Link mit mehr Informationen
https://www.caritas-wien.at/hilfe-angebote/obdach-wohnen/mobile-notversorgung/kaeltetelefon
/ Leo Söldner / Dienstag, 06.12.2022 / 0